jesus-service.de/Gemeinde
Was ist
Gemeinde?
Die Bedeutung des Begriffs "ekklesia" im Neuen
Testament
Wohl kaum
eine evangelikale Strömung hat sich so intensiv mit diesem Thema
befaßt wie die Brüderbewegung. Und wir dürfen dankbar für den
Segen sein, den dies unseren Vätern und auch uns gebracht hat.
Wir sollten uns aber davor hüten, uns einzubilden, daß uns nun
alles bekannt ist, was man auf diesem Gebiet wissen kann. Wir
sollten auch nicht zu sicher sein, daß alle Ergebnisse richtig
sind, zu denen wir gekommen sind.
Deshalb sollen
hier ein paar Gedankenanstöße gegeben werden, mit dem Ziel, daß
wir ganz neu und noch gründlicher als bisher anhand des Wortes
Gottes erforschen, was mit "Gemeinde" gemeint ist.
Im klassischen (außerbiblischen)
Griechisch bezog sich der Ausdruck ekklesia auf eine
Volkszusammenkunft, zu der ein Herold die Bürger zusammenrief.
In Athen z.B. wurde in solchen Vollversammlungen u.a. über
Vorschläge zu Gesetzesänderungen entschieden und über die Wahl
der Beamten. Jeder hatte das Recht, sich zu Wort zu melden und
Anträge zu stellen.
In der
Septuaginta, der griechischen Übersetzung des Alten Testaments,
steht dieser Ausdruck u.a. für das hebräische Wort qahal.
Dieses bedeutet "Versammlung", "versammelte
Menschenmenge". Gemeint ist der Aufruf zu einer Versammlung
bzw. der Akt des Sichversammelns. In diesem Sinne wird das Wort ekklesia
auch noch an einer Stelle im Neuen Testament gebraucht, nämlich
in Apg. 19, 32ff.
Etymologisch
wird ekklesia meist abgeleitet vom Verb (Tätigkeitswort) ekkalein
= "herausrufen". Daraus wird dann gefolgert, daß das
wichtigste Merkmal der Gemeinde des Neuen Testaments darin
besteht, daß diejenigen, die zu ihr gehören, aus der Welt
herausgerufen worden sind.
Diese Tatsache
ist ohne jeden Zweifel ein wichtiges Charakteristikum der
Gemeinde des Neuen Testaments. Es ist allerdings oft gefährlich,
die Bedeutung eines Wortes in erster Linie von seiner
sprachlichen Wurzel (Etymologie) her zu erklären, da die
Bedeutung von Begriffen nicht selten einen wesentlichen
sprachlichen Wandel durchmacht. Ein Beispiel dazu aus der
deutschen Sprache: unter "blöd" oder "blöde"
verstand man im Mittelhochdeutschen "gebrechlich, schwach,
zart, zaghaft"; erst später bekam es den Sinn "schwachsinnig,
dumm, albern, unsinnig", in dem wir es heute gebrauchen.1
Würde man also in der Interpretation eines modernen deutschen
Textes das Wort "blöd" von seiner sprachlichen Wurzel
her auslegen, dann käme man zu völlig falschen Ergebnissen.
Man muß also erforschen, welche Bedeutung ein
bestimmter Ausdruck in der Zeit hatte, als er benutzt wurde, und
in welchen Sinnzusammenhängen er z.B. im Neuen Testament steht -
das für den Begriff ekklesia darzustellen, ist in diesem
Rahmen leider nicht möglich.
Ich halte die Fülle dessen, was die Bibel über
die Gemeinde Jesu sagt, für viel zu umfangreich und komplex, als
daß man es mit ein paar wenigen Wörtern oder auch nur einem
einzigen Satz zusammenfassen könnte. Hundertfünfzehnmal kommt
dieser Begriff im griechischen Grundtext vor - diese Stellen müssen
in ihrem Zusammenhang untersucht werden. Im Grunde reicht das
aber auch noch nicht, denn die Bibel spricht auch vom Wesen der
Gemeinde, ohne diesen Ausdruck zu gebrauchen. Petrus z.B. benutzt
das Wort ekklesia überhaupt nicht und macht doch gerade
in seinem ersten Brief ganz wesentliche Aussagen darüber, wenn
er z.B. vom auserwählten Priestertum, von der heiligen Nation
und vom Volk zum Besitztum spricht (Kap. 2, 9).
Sehr anschaulich sind die Bilder, die das Neue
Testament für die Gemeinde benutzt. Da ist z.B. die Rede vom
Tempel Gottes (2. Kor. 6, 16/ Eph. 2, 21 - 22/ 1. Petr. 2, 5):
die Gemeinde ist ein geistliches Bauwerk, das Gott als „Wohnung"
dient und in dem Er angebetet und verherrlicht wird.
1. Kor. 12, 12 - 31 beschreibt die Gemeinde Jesu
als Seinen Leib, als einen lebendigen Organismus, in dem jedes
Organ jedes andere braucht und selbst genauso von allen anderen
gebraucht wird.
Die Gemeinde wird auch die Braut Christi genannt (Eph.
5, 25 - 27). Sie geht der Wiederkunft ihres Bräutigams entgegen,
der sie abholen wird, um mit ihr im Himmel die „Hochzeit des
Lammes" zu feiern (Offb. 19, 6 - 10).
Sie ist zugleich aber auch die Herde Christi (Apg.
20, 28 - 31). Dadurch wird im Zusammenhang deutlich, daß sie
Hirten (Älteste) braucht, die sie führen, die sie vor Gefahren
bewahren und für ihre Bedürfnisse sorgen.
Ebenso aus der Natur stammt das Bild vom Ackerfeld
Gottes (1. Kor. 3, 6 - 9). Die Gemeinde benötigt Mitarbeiter,
die pflanzen und bewässern, aber das Wachstum kann nur Gott
bewirken.
In Offb. 1, 20 wird die Gemeinde mit einem
Leuchter verglichen. Sie ist von Gott dazu beauftragt, Sein Licht
in die dunkle Welt zu bringen - das Licht des Evangeliums.
Ähnlich ist die Bildsprache vom Licht der Welt (Mat.
5, 14 - 16). Es wird zwar nicht ausdrücklich auf die Gemeinde
als solche bezogen, aber es ist den Jüngern Jesu gesagt worden
und gilt somit allen Christen. Es geht darum, daß die Gläubigen
mit allem, was sie sind, sagen und tun, die Menschen auf den
Herrn Jesus Christus hinweisen, der das eigentliche Licht der
Welt ist (Joh. 1, 7 - 9).
In diesem Zusammenhang werden wir auch das Salz
der Welt genannt (Mat. 5, 13). Die Jünger Jesu sollen die Welt
durchdringen, wie Salz den Geschmack einer ganzen Speise beeinflußt.
Indirekt spricht der Herr Jesus von der Gemeinde
auch als von einer Baustelle: "Aber auch ich sage dir: Du
bist Petrus, und auf diesem Felsen werde ich meine Gemeinde bauen
..." (Mt. 16, 18). Das griechische Wort oikodomeo,
das hier im Grundtext steht, hat als Grundbedeutung „ein Gebäude
errichten" und enthält ja auch das Wort "Haus"
bzw. "Gebäude" (oikos). In diesem Vergleich
kommt die Unfertigkeit der Gemeinde Jesu zum Ausdruck; sie wird
erst vollendet sein, wenn der Herr Jesus Christus wiederkommt.
Gleichzeitig ist die Gemeinde aber auch ein
Schlachtfeld. Auch dieses Bild gebraucht der Herr Jesus indirekt
in der oben genannten Verheißung an Petrus (Mt. 16, 18). Die
Gemeinde ist Baustelle und Kampfplatz zugleich; die Bausteine für
ihren Bau werden durch Zeugnis und Verkündigung aus dem
Steinbruch geholt, der Satan gehört. Da kann er natürlich nicht
kampflos zusehen, und das tut er auch nicht.
Bedauerlicherweise wird in manchen freikirchlichen
Kreisen das Verständnis dafür, was Gemeinde Jesu nach dem Neuen
Testament ist, immer mehr von einer institutionalisierten,
verkirchlichten und daher unbiblischen Sicht verdrängt. Das wird
z.B. daran erkennbar, daß in Namen von Ortsgemeinden, aber auch
in theologischen Publikationen zunehmend das Wort "Gemeinde"
durch den Begriff "Kirche" ersetzt wird. In der Brüderbewegung
dagegen wird leider z.T. über das Ziel hinausgeschossen, indem
die Gemeinde Jesu als "Nichtorganisation" verstanden
wird. Das ist zwar insofern richtig, als das Wesen der Gemeinde
im Gegensatz zu den von Menschen gemachten Kirchen, Freikirchen
und Denominationen eben nicht Organisation bzw. Institution ist,
sondern ein lebendiger, von Gott erschaffener Organismus. Aber um
in dieser gefallenen Welt leben und funktionieren zu können,
braucht auch dieser Organismus gewisse Ordnungen und Strukturen.
Und ob man es wahrhaben will oder nicht - das ist dann doch ein
Stück Organisation. Das gab es durchaus auch schon z.Zt. des
Neuen Testaments! Man setzte Älteste ein, die die Gemeinden
leiteten, und Diakone, die sie dabei von sozialen Aufgaben
entlasteten, und die Voraussetzungen für diesen Dienst waren
genau festgelegt (1. Tim. 3, 1 - 13/ Tit. 1, 5 - 9). Auch die
Durchführung des Ältestendienstes war zumindest in den
Grundlinien beschrieben (1. Pet. 5, 1 - 5). Witwen wurden von den
Gemeinden finanziell unterstützt; hierfür wurden sogar Listen
geführt. Und es gab präzise Bestimmungen, in welchen Fällen
Witwen aus der Gemeindekasse Hilfen bekommen sollten (1. Tim. 5,
3 - 16).
Dieser
Artikel ist im September 2002 - leicht bearbeitet - in der
Zeitschrift "Perspektive" veröffentlicht worden
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