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Eine Erfahrung, die zuletzt
die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau machen musste. Trotz eines
noch nie dagewesenen werblichen Aufwands, mit einem persönlich
gehaltenen Brief des Kirchenpräsidenten an jedes wahlberechtigte
Mitglied, ging die Beteiligung im Vergleich zur vorangegangenen Wahl
weiter zurück – von 20,5 auf 18,5 Prozent, noch weniger als in den
ländlich strukturierten Nachbarkirchen von Kurhessen-Waldeck und der
Pfalz.
Nicht
einmal jedes fünfte Mitglied war also daran interessiert, auf die
Zusammensetzung des Kirchenvorstands seiner Gemeinde Einfluss zu nehmen.
Die jüngste Studie zur Kirchenmitgliedschaft hatte eigentlich einen
gegenteiligen Trend erwarten lassen. Denn bei sinkenden Mitgliederzahlen
wächst der Anteil der Hochverbundenen unter den Mitgliedern – weil
nämlich jene, denen die Kirche weniger wichtig scheint, längst
ausgetreten sind. Doch auch der überwältigenden Mehrheit der
Verbliebenen scheint die Organisation egal zu sein. Allenfalls ihre
Dienstleistungen – Taufe, Konfirmation, Hochzeit und Beerdigung,
gelegentlich ein Konzert oder ein Gottesdienst – werden genutzt, mehr
nicht.
Es
ist paradox: Der Ruf nach Volksentscheiden und Bürgerbeteiligung wird
zwar immer lauter. Tatsächlich wächst auch die Zahl der Gelegenheiten,
auf politische Entscheidungen mehr Einfluss zu nehmen als nur mit dem
Kreuz auf dem Wahlzettel. Doch wenn’s zur Sache geht, kneifen die lieben
Bürgerinnen und Bürger.
Viele
Volksentscheide verfehlen die erforderliche Mindestbeteiligung von
zumeist 25 Prozent. Nur jeder fünfte Frankfurter machte sich
beispielsweise vor ein paar Wochen die Mühe, für oder gegen die
Überlassung des Geländes der Niederräder Pferderennbahn an den Deutschen
Fußballbund zu stimmen. Es war der erste Bürgerentscheid in Frankfurt
überhaupt. In Darmstadt gab es den schon vor sechs Jahren, doch
ebenfalls ohne die erforderliche Mindestbeteiligung von 25 Prozent,
obwohl mit einer strittigen Umgehungsstraße ein weitaus brisanteres
Thema zur Abstimmung stand.
Über
die Gründe kann nur spekuliert werden. Wahlforscher führen pauschal
Politikverdrossenheit, gebrochene Wahlversprechen oder ein politisches
Desinteresse junger Menschen an. Um so klarer sind dagegen die Folgen
solcher Abstinenz: Das gesamte System verliert allmählich seine
politische Legitimation. Es wird noch mehr als ohnehin zum Spielball von
Mächten und Interessen. Demokratie funktioniert nicht, wenn das Volk
nicht herrschen will.
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