Montag, 7. Juli 2014

das Bundesfinanzministerium: Finanzen und Steuern im Deutschen Kaiserreich

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Finanzen und Steuern im deutschen Kaiserreich

Nach einem Wort von Bismarck war das 1871 gegründete Deutsche Reich finanziell ein Kostgänger der Einzelstaaten. Dem Reich flossen zwar die Zölle und einige Verbrauch- und Verkehrsteuern zu, der Zugriff auf die direkten Steuern blieb ihm zunächst aber verwehrt. Defizite im Reichshaushalt wurden durch sog. Matrikularbeiträge der Einzelstaaten gedeckt.
In den deutschen Einzelstaaten setzte sich gegen Ende des 19. Jh. die Einkommensteuer endgültig durch. Preußen führte sie im Rahmen der Miquelschen Steuerreform von 1891/93 ein. Dem preußischen Vorbild folgten die anderen deutschen Länder
Das Reich, das seit 1879 über eine oberste Finanzbehörde (Reichsschatzamt) verfügte, konnte 1906 mit der Erbschaftsteuer und 1913 mit der Besitzsteuer und dem Wehrbeitrag auch direkte Steuern gegenüber den Einzelstaaten durchsetzen.
Im Ersten Weltkrieg (1914 - 1918), der zu einem erheblichen Teil über Anleihen finanziert wurde, führte das Reich 1916 einen Warenumsatzstempel in Höhe von 1 v.T. ein, der 1918 zur vollen Umsatzsteuer ausgebaut wurde. Sie ist heute die zweitgrößte Steuerquelle in Deutschland.
Finanzen und Steuern im deutschen Kaiserreich - Ein Blick in die Schausammlung
Blick in die Ausstellung der finanzgeschichtlichen Schausammlung der Bundesfinanzakademie in Brühl © Bundesministerium der Finanzen

Steuerzahler Bismarck

Der preußische Ministerpräsident (1862 - 1890) und Kanzler des Deutschen Reiches (1871 - 1890) Otto von Bismarck (1815 - 1898) stand direkten Steuern ablehnend gegenüber. Deswegen konnte erst nach seiner Amtszeit die moderne Einkommensteuer in Preußen eingeführt werden. Auch in seinen privaten Steuerangelegenheiten zeigte sich Bismarck recht "zurückhaltend".
Otto von Bismarck-Schönhausen
Ganzfigurenskulptur, Porzellan, o.J.
Bescheid über klassifizierte Einkommensteuer für 1866 für Bismarck
Berlin, 19. Dezember 1865
1851 war in Preußen die Klassensteuer durch eine klassifizierte Einkommensteuer ergänzt worden. Sie galt für die Bezieher höherer Einkommen und enthielt 30 gestaffelte Stufen. Der Steuersatz reichte bis 3 v.H.
Steuermahnzettel für den Ministerpräsidenten Bismarck
Berlin (Exekutionsamt des Magistrats), 1. August 1871
Angemahnt wird die Mietsteuer. Über die Besteuerung seiner Berliner Dienstwohnung war Bismarck sehr verärgert. Er beklagte sich darüber in einer Reichstagsrede von 1881, in der er auch die Möglichkeit andeutete, den Sitz der Reichsregierung von Berlin wegzuverlegen.
Bismarck und die Einführung der Schutzzölle
Aus: Kladderadatsch, 1879
Mit der Einführung von Schutzzöllen vollzog das Deutsche Reich 1879 unter der Führung Bismarcks eine Wende in der Handels- und Zollpolitik.
August Kiel, Steuereinnehmer I. Klasse in Hannover
Gegenstände aus seinem Nachlaß
Um 1867

Steuern des Reiches

Da die Einzelstaaten dem Reich lange Zeit den Zugriff auf die direkten Steuern verwehrten, baute es zunächst die indirekten Steuer aus. Die dem Reich zufließenden Steuern wurden von den Verwaltungen der Einzelstaaten erhoben, so daß das Reich nur eine bescheidene Finanzverwaltung hatte.
Wechselstempelmarken des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches
Ausgaben von 1869 und 1875
Spielkartenstempel (1878)
Spielkarte mit Steuerstempel
Kraftfahrzeugstempel (1906)
Kraftfahrzeugsteuerkarte aus Konstanz, 1909/10
Gesetz über einen Warenumsatzstempel
Kommentar von Fritz Koppe und Paul Varnhagen, Berlin 1916
Siegelmarken von Finanzbehörden des Reiches
Nach 1871

Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71
und seine finanziellen Folgen

Der Juliusturm in Spandau
Nach einer Zeichnung von Gottlob Theuerkauf (1833 - 1911)
Juliusturm heißt der Turm der ehemaligen Zitadelle in Berlin-Spandau. In ihm wurde seit 1871 der Reichskriegsschatz (120 Mio. Mark in Goldmünzen) aufbewahrt. In der Frühzeit der Bundesrepublik Deutschland wurden die von Bundesfinanzminister Fritz Schäffer (1888 - 1967) zwischen 1952 und 1956 bei der Bundesbank angesammelten Kassenüberschüsse als Juliusturm bezeichnet.
In den Kellergewölben des Juliusturms
Buchillustration, 19. Jh.
Das Bild zeigt die im Juliusturm verwahrten Geldsäcke mit den Goldmünzen des Reichskriegsschatzes. Dieser war aus der Kriegsentschädigung von fünf Mrd. Francs gebildet worden, die Deutschland Frankreich nach dem Krieg von 1870/71 auferlegt hatte.
Fünf Milliarden und - der Steuerzettel !
Nach einem Gemälde von Fritz Sonderland (1836 - 1896), aus: Gartenlaube, 1873
Angesichts der Kriegsentschädigung von fünf Mrd. Francs, die Frankreich ab 1871 zu zahlen hatte (in etwa das Dreifache des in Deutschland vorhandenen Bargeldes), wundert sich ein Bürger über die Höhe der von ihm verlangten Steuern. Die Entschädigung wurde vor allem zur Rüstungsfinanzierung und zur Tilgung erheblicher Anleiheschulden des Norddeutschen Bundes und der süddeutschen Staaten verwendet. Der Mittelzufluß aus Frankreich heizte den Boom der Gründerjahre an, denen 1873 jäh die Gründerkrise folgte.
Pariser lesen die Presseberichte über neue Steuern
Aus: The Illustrated London News vom 10. Februar 1872
In Frankreich wurde die Aufbringung der Kriegsentschädigung von fünf Mrd. Francs durch Anleihen, Erhöhung bestehender und Einführung neuer Steuern finanziert.

Die Miquelsche Steuerreform

Johannes von Miquel (1828 - 1901) war einer der einflußreichsten deutschen Politiker in der 2. Hälfte des 19. Jh. Der studierte Jurist, der 1848/49 mit der politischen Linken sympathisiert hatte, gehörte 1866 zu den Gründern der Nationalliberalen Partei. Im Alter näherte er sich den Konservativen an.
Miquel war Oberbürgermeister von Osnabrück (1865 - 1870, 1876 - 1880) und Frankfurt am Main (1880 - 1890) sowie u.a. Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses (1867 - 1882), Herrenhauses (1883 - 1901), des konstituierenden Reichstags und des Reichstags des Norddeutschen Bundes (1867 - 1871) und des Deutschen Reichstags (1871 - 1877, 1887 - 1890).
Nach ihm ist die sog. Miquelsche Klausel benannt: Bei den Beratungen zur Verfassung des Norddeutschen Bundes hatte Miquel einen Kompromiß herbeigeführt, der dem Bund (und später dem Reich) die Ausdehnung seiner Steuerhoheit ermöglichte.
Von 1890 bis 1901 war Miquel preußischer Finanzminister. Die umfassende Finanz- und Steuerreform 1891/93, die bis heute seinen Namen trägt, beeinflußte das preußische und deutsche Steuersystem erheblich. Wesentliche Teile der Reform waren die Einführung der modernen Einkommensteuer, die durch eine Vermögensteuer ergänzt wurde, sowie die Umwandlung der Gewerbe- und der Grundsteuer von Staats- zu Gemeindesteuern.
Johannes von Miquel
Johannes von Miquel - Büste von Ferdinand Hartzer (1838 - 1906), 1898
Büste von Ferdinand Hartzer © Bundesministerium der Finanzen

Steuerakten

Vermögensteuerakten von Johannes Popitz (1884 - 1945)
Aktendeckel der Veranlagungskommission Berlin-Wilmersdorf, 1914 ff.
Die Vermögensteuer gab es in Preußen seit 1893 (als sog. Ergänzungssteuer zur 1891 eingeführten Einkommensteuer). Nähere Angaben zu Johannes Popitz sind im 11. Teil dieser Broschüre zu finden.
Wehrbeitragsakten des Kaufmanns Heinrich Klages
Kreisdirektion Wolfenbüttel (Herzogtum Braunschweig), 1913
1913 setzte das Reich zur Rüstungsfinanzierung den Wehrbeitrag (eine einmalige Vermögensabgabe zur Aufbringung von 1 Mrd. Mark) und die Besitzsteuer (eine laufende Vermögenszuwachssteuer) durch.

Die Finanzen im Ersten Weltkrieg und das Ende des Kaiserreiches

Reichsschatzsekretär Karl Helfferich (1872 - 1924)
Medaille von Paul Leibküchler (1873 - ?), 1915
Helfferich übernahm Anfang 1915 das Amt des Staatssekretärs im Reichsschatzamt. Er bevorzugte den (umstrittenen) Weg, den Krieg durch Anleihen statt durch neue Steuern zu finanzieren. Helfferich war nach dem Krieg einer der erbittertsten Gegner von Reichsfinanzminister Matthias Erzberger.
Kriegsanleihe des Deutschen Reiches
Schuldverschreibung und Zinsscheine, 1916
Die dem Deutschen Reich im Ersten Weltkrieg (1914-1918) entstandenen Kosten werden auf 164 Mrd. Mark geschätzt. Ca. 60 v.H. dieser Kosten (ca. 96 Mrd. Mark) wurden durch insgesamt neun Kriegsanleihen aufgebracht.
Werbung für die Zeichnung von Kriegsanleihen
4 Feldpostkarten, um 1917
Durch die Kriegsanleihen wuchs die innere Verschuldung des Reichs von 5 Mrd. Mark 1914 auf über 150 Mrd. Mark 1919. Die Übernahme dieser Schuldenlast war eine schwere Hypothek für die junge Weimarer Republik.
Öffentliche Aufforderung zur Abgabe einer Besitz- und Kriegssteuererklärung
Januar 1917
Unter Siegfried Graf von Roedern (1870-1954), der 1916 als Staatssekretär im Reichsschatzamt Helfferich nachfolgte, wurde bis 1918 jährlich eine Kriegssteuerreform durchgeführt. Fiskalisch recht bedeutsam war die 1916 beschlossene Kriegssteuer (auf den Vermögenszuwachs von 5 bis 50 v.H.).
Das Ende der Monarchie
Bebenhausen, 30. November 1918
König Wilhelm II. von Württemberg (1848 - 1921) gibt dem Volk seine Abdankung bekannt.
Beseitigung der Hoheitszeichen aus der Monarchie
Berlin, 29. April 1922
Der Reichsminister der Finanzen weist die Finanzämter an, alle noch aus der Zeit der Monarchie stammenden Hoheitszeichen und Bezeichnungen von den Gebäuden und aus den Amtsräumen zu entfernen.

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