Hinweis durch einen Bericht in der Rhein Zeitung
Quelle: allgemeine-zeitung.de/vor-100-jahren-stattete-mustafa-kemal-pascha-kaiser-wilhelm-im-bad-kreuznacher-kurhaus-einen-besuch-ab
Vor 100 Jahren stattete Mustafa Kemal Pascha Kaiser Wilhelm im Bad Kreuznacher Kurhaus einen Besuch ab
Auszug:
BAD KREUZNACH - Wer war Vahideddin? Immerhin der türkische
Thronfolger, der Kaiser Wilhelm besuchte. Doch wer redet heute noch von
den beiden? Im Gefolge Vahideddins befand sich ein junger Offizier, von
dem die Welt noch heute spricht. Manche sagen auch: Er wurde der einzige
Staatsmann, den der Erste Weltkrieg hervorgebracht hat. Die Rede ist
von Mustafa Kemal Pascha, der 1934 den Beinamen „Atatürk“ bekam – Vater
der Türken. Genau 100 Jahre ist es her, dass Kemal mit seinem
königlichen Chef dem Kaiser die Aufwartung im Bad Kreuznacher Kurhaus
machte, vom 19. bis zum 20. Dezember 1917.
Staatsbesuch in der heimlichen Hauptstadt
- FILMABEND
Der Bad Kreuznacher Atatürk-Verein lädt aus Anlass des 100. Jahrestages
des Besuchs von Mustafa Kemal Pascha zu einer Film-Veranstaltung am
Dienstag, dem 19. Dezember, um 19 Uhr im Atatürk-Saal des Kurhauses ein.
Kreuznach war zu jener Zeit die heimliche Hauptstadt des Deutschen
Reiches. Hier war das Große Kriegshauptquartier der Obersten
Heeresleitung unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff
stationiert, der Kaiser residierte im 1913 gerade fertiggestellten
Kurhaus. Die Türkei war im Ersten Weltkrieg mit dem Deutschen Reich
verbündet. Deutschland hatte unter anderem den Bau der Bagdad-Bahn
übernommen, die von Konya nach Bagdad führen sollte. Kemal hatte sich
gleich zu Beginn des Krieges mit großen militärischen Erfolgen
ausgezeichnet. Geboren wurde er 1881 im multikulturellen Selanik, heute
Thessaloniki in Griechenland, wo er auch zur Militärschule ging. 1915,
in der Schlacht um die Halbinsel Gallipoli, errang er einen glänzenden
Sieg gegen die Alliierten, die vergeblich den Durchbruch durch die
Dardanellen erzwingen wollten. Daraufhin musste Winston Churchill als
Erster Lord der Admiralität zurücktreten, Kemal dagegen wurde zum
General befördert. Wegen dieses Sieges wurde Kemal damit ausgezeichnet,
den Thronfolger nach Deutschland zu begleiten. Als ihn in Kreuznach
Hindenburg und Ludendorff von ihrer geplanten Frühjahrsoffensive
überzeugen wollten, blieb Kemal skeptisch. Er konnte den Optimismus der
Herren nicht teilen und fragte, welche konkreten Ziele diese Offensive
eigentlich habe. Hindenburg und Ludendorff blieben die Antwort schuldig.
Und Kemal hatte den richtigen strategischen Riecher bewiesen. Nicht
einmal ein Jahr später war der Krieg für das Deutsche Reich verloren –
und auch für das Osmanische Reich. Erst jetzt begann der eigentliche
Aufstieg Kemals: der Befreiungskrieg gegen Griechenland und die Gründung
der Türkischen Republik am 29. Oktober 1923. Kemal wurde zum
Präsidenten gewählt – und veränderte die Türkei, wie niemals zuvor ein
islamischer Staat verändert wurde. Staat und Religion wurden strikt
getrennt. Frauen wurden Männern gleichgestellt und erhielten das Recht
auf Scheidung. Die am Koran orientierte Rechtsprechung wurde vom
Zivilrecht nach Schweizer Vorbild abgelöst. Zudem führte Kemal das
lateinische Alphabet ein, das die arabische Schrift ersetzte. Mustafa
Kemal Atatürk starb am 10. November 1938 an einer Lebererkrankung in
Istanbul. Er hinterließ ein Land, das sich den Ideen der Aufklärung und
der westlichen Lebensart geöffnet hatte.
Über Zusammenhänge nachdenken
Achtzig Jahre nach Atatürk ist heute wieder eine völlig andere Türkei
sichtbar. Vom Vermächtnis Atatürks will der heutige Staatspräsident
Recep Tayyip Erdogan nichts mehr wissen. Die Ideen der Republik werden
mehr und mehr abgelöst von diktatorischen Maßnahmen und staatlicher
Willkür.
100 Jahre Atatürk-Besuch in Bad Kreuznach sind auch Anlass, über
diese Zusammenhänge nachzudenken. Ein großes Relief im Foyer des Bad
Kreuznacher Kurhauses erinnert an den großen türkischen Staatsmann.
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