Donnerstag, 8. November 2018

Rhein Zeitung: Vor 100 Jahren endete der Erste Weltkrieg: So erlebte man die Zeit in Kirn und Umgebung

                 siehe dazu auch:


Prof. Schachtschneider, die Germania - Julia

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Quelle: rhein-zeitung.de/100-jahren-endete-der-erste-weltkrieg-so-erlebte-man-die-zeit-in-kirn-und-umgebung

Vor 100 Jahren endete der Erste Weltkrieg: So erlebte man die Zeit in Kirn und Umgebung

Hans-Werner Ziemer
Vor 100 Jahren, im November 1918, endete in tiefstem Grauen, was vier Jahre zuvor mit einer Begeisterung ohnegleichen begonnen hatte: der Erste Weltkrieg. Dieser Krieg hatte sich als ein Chamäleon erwiesen. Nichts blieb, nicht der Adel und nicht das Bürgertum, erst recht nicht das Hochgefühl der Deutschen, die sich noch 1914 den Nachbarn so überlegen gefühlt hatten.
Im Ersten Weltkrieg gab es eine Flut von Postkarten, die von der Heimat an die Front und umgekehrt geschickt wurden.
Im Ersten Weltkrieg gab es eine Flut von Postkarten, die von der Heimat an die Front und umgekehrt geschickt wurden.
Foto: Hans-Werner Ziemer
Die Novemberrevolution begann mit Meutereien der Matrosen in Kiel und breitete sich in Großstädten aus. Es kam auch in der hiesigen Region zur Bildung von Arbeiter- und Bauernräten. Vom 8. bis 11. November wurde über den Waffenstillstand verhandelt, der am 13. November abgeschlossen wurde. Am 9. November begann die Revolution in Berlin; Prinz Max von Baden gab „de facto“ die Abdankung Kaiser Wilhelms II. bekannt, die erst am 28. November unterzeichnet wurde. Philipp Scheidemann rief die deutsche Republik aus. Der Kaiser ging am 10. November ins Exil nach Holland.
Wie sah es in unserer Heimat kurz vor Ende des Krieges und danach aus? Darüber geben Chroniken Auskunft.

Hungerrevolten drohten

Die Ortschronik der Landbürgermeisterei berichtet: „Vom 1. Juni 1918 gab es pro Kopf und Woche 100 Gramm Fleisch und 3½ Pfund Brot. Der Preis pro Ei stand im Sommer auf 35 Pfennig. Da die Ernten infolge der Witterung recht spät kamen, wäre es beinahe zu Hungerrevolten gekommen. Die Gefahr ging aber vorbei, und es blieb anderen Kräften vorbehalten, Unruhe ins Land zu bringen. Das Volk schlug dem Herrn [Kaiser Wilhelm II.] die Waffen aus der Hand, und es kam zu einem verhängnisvollen Waffenstillstand am 11. November, vormittags, 11 Uhr! Vier lange Jahre und ¼ hörten wir täglich den Donner der Geschütze von der Westfront. Nun war es auf einmal ruhig geworden.“
Weiter heißt es in der Chronik: „Am 9. November, zwei Tage bevor der Waffenstillstand unterzeichnet worden war, brach in Norddeutschland die Revolution aus, welche von Matrosen ins Werk gesetzt wurde. Seit jener Zeit haben wir keinen Kaiser mehr.
Schon am ersten Tage des Waffenstillstandes kamen viele Flieger über unser Nahetal geflogen! Ihr Ziel war die Heimat. Bald kamen auch unsere Truppen, zunächst die Etappensoldaten. Sie zeigten sich nicht durch Ordnung aus. Später kamen auch unsere unbesiegten Truppen der Front. Sie machten einen durchaus guten Eindruck.

Mit Gesang und Blumenschmuck

Zum Empfang unserer tapferen Soldaten waren die Häuser mit Tannengrün und Fahnen geschmückt. Der Empfang und die Bewirtung der bei uns einquartierten Truppen entsprach der Dankbarkeit der Einwohner. Die Truppen kamen mit Gesang und Musik an, jeder Mann mit Blumen geschmückt. Der Durchmarsch dauerte nahezu zwei Wochen. So viele Soldaten hatte unsere Bevölkerung noch nicht gesehen. Es war die Armee von der Marwitz [Georg von der Marwitz war ein preußischer General der Kavallerie, der von Dezember 1916 bis September 1918 die zweite Armee kommandierte]. Dann trat eine Pause von fünf bis sechs Tagen ein, und dann folgte der Feind – französische Truppen – mit dem Ziele: Bingen, Mainz, Rhein.
Schrecklich, daß sich einem das Herz im Leibe zusammenkrampfte, klang die Musik der einrückenden Truppen. Da gab es wieder Einquartierung (fünf Mal französische Einquartierung). Wenn die Heimatlande einst wieder frei sind, dann soll dieser Schreiber oder ein anderer an dieser Stelle die Fortsetzung folgen lassen, da es jetzt nicht möglich ist.
Wiederholt waren die Schulsäle als Massenquartier eingerichtet. Auch wurden Marokkaner, Algerier und Tunesier einquartiert. Diese haben sich durchschnittlich höflich und zurückhaltend benommen, als die anderen Einquartierten. Auch verhehlten diese Leute, welche nur gebrochenes Französisch sprachen, nicht, daß sie Franzosenfeinde seien. Nach der Einquartierung mußten die Schulräume gründlich gereinigt und desinfiziert werden.“
Lehrerin Margarethe La Bautè schrieb in die Chronik der katholischen Schule zu Hennweiler: „Friedenszeit. Einquartierung im Dorfe! Am 11. November 1918 wurde der Waffenstillstand geschlossen. In der Zeit vom 21. bis 28. November begann der Rückzug unserer Truppen. Täglich wurden in jedem Hause sechs bis zehn Mann untergebracht. Dabei erhielt ich den ersten Beweis von der Gutmütigkeit der Dörfler. Obwohl die Soldaten auf eigene Verpflegung angewiesen waren, ließen es sich die Bewohner nicht nehmen, die Soldaten reichlich zu beköstigen. Für die Schuljugend waren diese Tage ein besonderes Vergnügen. Besonders die Jungens schlossen Freundschaft mit den Soldaten, die Gäule hatten. Auch die Feldküche erregte ihr Interesse.“

Vermisste in Gefangenschaft

In seiner 1914 angelegten „Kriegs-Chronik der beiden Dörfer Krebsweiler-Heimberg“ hielt Lehrer Otto Müller fest: „Vermißt wurden seit den Kämpfen am 8. August 1918 Karl Siegel, Sohn von Johann Siegel II., Krebsweiler, Jakob Horbach, Sohn von Jakob Horbach, Krebsweiler, Otto Buch, Sohn von Friedrich Buch I., Heimberg. Alle befinden sich in englischer Kriegsgefangenschaft. Der als vermißt gemeldete Musketier Adolf Mensch aus Heimberg, Sohn der Witwe Peter Fried aus Heimberg, befindet sich in französischer Gefangenschaft. Seit dem Rückzug der deutschen Truppen wurden in unseren beiden Dörfern Heimberg und Krebsweiler einquartiert: Sonntag, 22. November. zwei Feldlazarette; Dienstag, 24. November, eine Schwadron Husaren; Donnerstag, 26. November, vier Kompanien des Infanterieregiments Nr. 135; Freitag, 27. November, vier Kompanien des Infanterieregiments Nr. 131; Samstag, 28. November, ein Pferdelazarett. Alle Truppen wurden von den Einwohnern freundlich empfangen.“
Philipp Kistner, Gemeindevorsteher in Hochstädten, hielt in der „Kriegs-Chronik der Gemeinde“ fest: „Am 9. November 1918 kam die Revolution über Deutschland, alle Disziplin unter den Truppen schwand. Unsere Truppen, welche mehrere 100 Kilometer im Feindesland waren, mußten alle nach der rechten Rheinseite gebracht werden. Die ganze Gegend hatte 12 bis 14 Tage Einquartierung von unseren Truppen. Bis Anfang Dezember sollen unsere Truppen auf dem rechten Rheinufer sein. Als unsere Truppen alle über den Rhein waren, kamen die Franzosen an. Wir hatten mehrere Tage französische Einquartierung. Alle Soldaten, welche auf der linken Rheinseite zu Hause waren, wurden entlassen. Die Waffenstillstandsbedingungen sind so geregelt, daß ich dieselben nicht niederschreiben mag; die Geschichte wird darüber belehren.“
In einer anderen Quelle heißt es: „Das Heer tritt die Heimreise an, eine Menge Kriegsmaterial im Werte von Milliarden dem Feind preisgegeben. Über den Hunsrück, durchs Nahetal zieht die Armee von Marwitz. Tag für Tag sind die Straßen von zurückziehenden Truppen aller Gattungen belebt. Einquartierung in aller Art jeden Tag, oft in Überfällen. Städte und Dörfer sind zur Bewillkommenung der heimkehrenden Krieger, welche vier Jahre den Feind heldenmütig von Deutschlands Grenzen ferngehalten haben, mit Fahnen und Girlanden geschmückt. Munter und fröhlich ziehen die Tapferen durch, sich freuend, daß ein Kriegsleben mit all seinem Elend nun ein Ende hat und daß nun bald jeder in seine Familie, in seinen Beruf zurückkehren kann. Die Kämpfer von der linken Rheinseite werden in die Heimat entlassen; jeder erhält eine Uniform mit Mantel und 50 Mark Entlassungsgeld.“
Kurz nach Abschluss des Waffenstillstandes bildeten sich Arbeiterräte, die gegen Schleichhandel und Wucherpreise vorgehen sollten. In Kallenfels kam es am 16. November 1918 zur Bildung eines solchen Rates. Treibende Kraft war der bei der Lederfabrik Wilhelm Simon in Kirn beschäftigte Kallenfelser Karl Fey. Mitglieder im Arbeiter- und Soldatenrat Kreuznach waren Fritz Klein, Karl Fey, Peter Jost I. und Gustav Sünder.
In Oberhausen bildete sich am 20. November ein Arbeiterrat, der sich der Kreuznacher Bewegung anschloss. Auch hier hatte Karl Fey die Initiative ergriffen. Dem Arbeiterrat gehörten Jakob Mohr I. als Vorsitzender sowie Jakob Theis und Jakob Barth an. Gegen eine vom Gemeindevorsteher Schmidt in Oberhausen ausgestellte Bescheinigung vom 24. November 1918, dass Mohr, Theis und Barth in den Arbeiterrat gewählt waren, stellte der Soldatenrat Kreuznach dem Gemeindevorsteher am 28. November die Ausweise zu.
Von unserem Mitarbeiter Hans-Werner Ziemer

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