Sonntag, 9. September 2018

SWR 1, Anstösse: Frühling und Herbst

Quelle: kirche-im-swr.de/manuskripte

Auszug:


„Mögest du viele Frühlinge und nur einen Herbst erleben.“ Das habe ich in einem Kalender gelesen mit irischen Segenssprüchen. Und ich habe mich gefragt, was ich davon halten soll. Ich mag den Herbst nämlich sehr. Die Wälder, die bunten Bäume mit Blättern, die sich verfärben, die klare Herbstluft, manchmal Nebel. Diese ganze besondere Herbststimmung – die liebe ich. Und vor allem vieles, was gut schmeckt: Pflaumen und Nüsse, Kürbisse und Pilze. Nur einen Herbst, aber viele Frühlinge?  Klar, der Frühling ist auch toll. Etwas Neues fängt an. Der Anfang von etwas Neuem. Neue Kraft und mehr Licht. Und endlich wird die Welt wieder grün. Ja, immer wieder Anfangen, immer wieder erleben, dass die Sonne länger scheint und das Leben  neu erwacht, das ist etwas ganz Besonderes. Das brauche ich manchmal. Wie eine Energiespritze.
.Aber manchmal tut auch ein Schub in die andere Richtung gut: Mach langsam. Mach früher Schluss, komm zur Ruhe, wenn es dämmrig wird. Alle Energie, alle Pläne dürfen ein bisschen pausieren. Der Herbst taucht alles in ein anderes Licht: Auch wenn es manchmal schwer fällt loszulassen und ich nicht weiß, wie ich mit Dunkelheit  umgehe. Ich erfahre gerade dann, dass dieser Kreislauf der Natur, Frühling, Sommer, Herbst und Winter, seinen Sinn hat, auch für mich.
Genau wie in der Natur muss auch ich nicht alles festhalten. Ich muss nicht  immer nur aufbauen, powern, anpacken. Nicht immer nur anfangen, sondern auch einmal etwas abschließen. Es liegt eine große Weisheit im Rhythmus, den die Natur uns vorgibt.  Wie in der Natur hat beides in meinem Leben einen Sinn: Der Frühling und der Herbst. Wenn ich daran denke,  dann könnte der Segen vielleicht so  lauten: „Mögest Du das Gute im Frühling und das Gute im Herbst sehen. Mögen Dein Aufbauen und Dein Loslassen gut zusammenwirken und beides in Gott geborgen sein.“

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