16.02.2018 - Erst grün, dann braun: Pastor Bode hat sich nach rechts gewendet Foto: Imago/
Auszug:
BREMEN taz
| Der Bremer Pastor Friedrich Bode ist ein Eiferer, der nie viel auf
die Meinung seiner Dienstoberen gegeben hat. Doch während er früher
wegen seiner Kritik am Finanzgebaren der Kirche aneckte, ist es heute
seine Nähe zur NPD. Am 17. Februar will Bode auf einer NPD-Kundgebung
„in der Nähe von Bremen“ auftreten, zusammen mit dem Neonazi Thorsten
Heise. Sein Thema laut Ankündigung der NPD: „Hat es den moralischen
Urknall gegeben und gibt es noch ein fassbares Echo?“ Für Bode ist es
ein Engagement für die Meinungsfreiheit. Die Bremer Kirche sieht das
anders: Sie will den pensionierten Beamten zum Gespräch einladen, ein
Disziplinarverfahren droht.
Bekannt wurde der Kirchenmann,
als er sich in ganz anderen politischen Zusammenhängen engagierte: Sein
Bild ging um die Welt, als er sich bei einer Demonstration gegen den Bau
des Atomkraftwerks Brokdorf 1976 im Talar vor die Phalanx der schwer
bewaffneten Polizisten stellte. Um die Demonstranten vor Übergriffen zu
schützen, sagt er. Atomenergie ist für ihn Satanszeug, damals wie heute.
Anzeige
Der kirchlichen Autorität hat Bode
noch nie vertraut, schon gar nicht, seitdem er nach einem
Disziplinarverfahren 1991 aus dem kirchlichen Dienst ausscheiden musste.
Mit der Kirche hatte er zum Beispiel Ärger, weil er Gemeindevermögen
bei der Ökobank in Frankfurt anlegen wollte. Bei anderen Banken gebe es
mehr Zinsen, meinte sein Gemeindevorstand damals, und die würden für
gute Zwecke gebraucht. Immer wieder und überall eckte er im kirchlichen
Dienst an. Unverträglichkeit im mitmenschlichen Umgang wurde ihm
vorgeworfen.
Für Bode gibt es kein „rechts“ und kein „links“
Er selbst sieht für sich einen
ganz anderen Maßstab: „Natürlich“, sagt der 77-jährige Pfarrer „i. R.“,
ein wenig empört, er sei ein „konservativer Christ“. Damit ist auch die
Frage nach seiner Parteilichkeit beantwortet: „In allererster Linie
bekenne ich mich zu Christus.“ Für Bode gibt es kein „rechts“ und kein
„links“, sondern nur Bode. Das war immer so und das Alter hat ihn nicht
weise gemacht, sondern eher altersstarrsinnig.
Friedrich Bode gehörte zu den
Gründern der Bremer Grünen in Bremen, die 1979 als erste „Bremer Grüne
Liste“ in ein Landesparlament einzogen. Bis heute ist er Gegner der
Atomenergie, und er ist dabei, wenn Massentierhaltung angeprangert wird.
„Im Zentrum dieser neuen teuflischen Strategie steht das Kapital“,
davon ist er überzeugt.
Aus der Grünen-Partei trat er
2015 aus, als ihm in seinem Kreisverband Rotenburg ein
Ausschlussverfahren drohte. Dort hatte er Diskussionsveranstaltungen
organisiert über die Zuwanderung, die in einem Bürgerkrieg enden könnte,
und über die palästinensische Hamas, die „natürlich nicht eine
Terroristenorganisation“ sei, sondern für Gerechtigkeit kämpfe. Er
beteiligte sich an Boykott-Aktionen gegen Waren aus Israel – im Namen
der Menschlichkeit.
Auf dem Boden des lutherschen Antisemitismus
Bode steht mit beiden Beinen fest
auf dem Boden des lutherschen Antisemitismus. Er wollte, erklärte er
rückblickend sein Engagement in der Öko-Partei, „meine Freunde an die
reinen Quellströme grüner Politik führen“, weg von Parteienproporz und
Machtgerangel. „Heute sind nahezu alle Grünen Spitzenpolitiker
Altkommunisten, die mit sehr viel Geschick die unbedarften Grünen
manipulieren.“
Friedrich Bode, Pastor„Als Jesus ans Kreuz geführt wurde, hat das Volk auch geschrieen, mit den Mächtigen zusammen: ‚Kreuzige ihn‘“
Der Pfarrer ist ein Vielleser.
Noch nie war die Bibel ihm genug. Seitdem es das Internet gibt, liest er
nicht nur Bücher, sondern eigentlich mehr Texte im Netz. Zu Deutsch:
Kraut und Rüben. Bode kennt die Theorie von der „Kanzlerakte“, einem
angeblich geheimen Staatsvertrag vom 21. Mai 1949, mit dem sich die
alliierten Siegermächte des Zweiten Weltkriegs die „Medienhoheit“ in der
Bundesrepublik sicherten. Jeder deutsche Bundeskanzler müsse dieses
Schriftstück vor Ablegung des Amtseides unterzeichnen – als
Verpflichtungserklärung gegenüber den Alliierten. Wenn man das glaubt,
dann kann man fortan alles glauben und den „Medien“ nichts mehr.
Bei seinem Weg durch das komplexe
Gestrüpp der Internet-Informationen vertraut Bode allein den Wahrheiten,
die ihm „höher als alle Vernunft“ erscheinen. Hatte nicht Paulus genau
das als Qualitätsmerkmal seiner Christus-Überzeugung gepriesen?
Deutschland als „besetztes Land“
Angesprochen auf sein
deutschnationales Gedankengut verweist er auf Schiller, Goethe, Luther.
„Wir sind als Kulturnation verpflichtet, dies in Ehren zu halten und
weiter zu entwickeln zum Wohle der Völker dieser Welt. Solange wir
keinen Friedensvertrag haben und uns die Medienhoheit versagt wird, sind
wir ein besetztes Land.“
Vor rechtsradikalem Publikum hat
Friedrich Bode schon einmal vor einem Jahr eine große Rede gehalten bei
der „Gedenkveranstaltung für die Ermordeten der Rheinwiesenlager“. In
Bretzenheim bei Bad Kreuznach findet regelmäßig ein Aufmarsch unter dem
Motto „Befreiung von der Befreiungslüge“ statt, auf dem gelegentlich der
„jüdische Massenmörder Eisenhower“ angeklagt wird. Am 7. Mai 2017 war
Bode dabei, seine Rede ist auf Youtube nachzuhören, der Film endet mit
der Deutschlandhymne instrumental.
Der Pfarrer Bode griff da den
Theologen Dietrich Bonhoeffer frontal an, der noch am 9. April 1945 im
KZ Flossenbürg hingerichtet worden war. Bonhoeffer habe, so erklärte
Bode empört, für die Niederlage Deutschlands gebetet. Der Zweite
Weltkrieg sei aber nicht ein Krieg gegen die „Reichsregierung unter
Adolf Hitler“ gewesen, sondern ein „Krieg gegen das deutsche Volk“. Ein
„kleiner Gefreiter“ habe „in wenigen Jahren eine am Boden liegende
Nation wieder zu einem kraftvollen Bekenntnis zur eigenen Geschichte
aufgerichtet“, so verkündete Bode. Das sei „bis heute einzigartig in der
Weltgeschichte“. Und hinter den Weltkriegen des 20. Jahrhunderts sieht
er „satanische Mächte“ stehen.
Der Mann ist ein geschickter
Rhetoriker. Er verkündet das „tausendjährige Friedensreich“ – mit
Verweis auf ein Bibelzitat. Aber wo die Offenbarung des Johannes den
Jesus-Anhängern tröstliche Versprechungen macht, predigt Bode Hoffnung
für die Deutschen: „Warum ist nur das deutsche Volk für diese Aufgabe
auserwählt?“, fragt er rhetorisch. Er erwähnt die Zahl sechs Millionen –
aber mit dem Hinweis, das deutsche Volk sei „das einzige Volk, das von
sich behaupten kann, dass sechs Millionen Menschen spurlos verschwunden
sind“.
Holocaust? Eine „Frage an die Historiker“
Zusammen mit Gerard Menuhin, dem
gefallenen Sohn des weltberühmten jüdischen Geigers, verteidigte Bode
2015 Horst Mahlers antisemitisches Werk „Das Ende der Wanderschaft“ vor
der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien im Namen der
Meinungsfreiheit. Mahler bezeichnet den Holocaust als „die gewaltigste
Lüge der Weltgeschichte“. Und: „Der Holocaust hat nicht stattgefunden.“
Bode dazu: „Das kann man doch wohl
mal sagen.“ Ob es den Holocaust gegeben habe oder nicht, sei eine
„Frage an die Historiker“: Das „muss bewiesen werden bis ins kleinste
Detail“. Bisher sei das jedoch nicht geschehen. Den vom Links-zum
Rechtsextremismus irrlichternden Horst Mahler versteht Bode mit
biblischen Metaphern: „Aus einem Saulus wurde ein Paulus unserer Tage.“
Für sich selbst wählt Friedrich Bode einen noch herausragendere
Vergleichsfigur: „Als Jesus ans Kreuz geführt wurde, hat das Volk auch
geschrieen, mit den Mächtigen zusammen: Kreuzige ihn.“
Im Zusammenhang mit einem Symbolfoto zum Artikel „Von der
Kanzel zum NPD-Pult“ vom 15. 2. 2018, das den Körper ohne Kopf eines
Mannes im einen Talar zeigt und anstelle von dessen Kreuz ein Hakenkreuz
ins Bild manipuliert worden ist, ist für vier Stunden in der
E-Paper-Ausgabe eine Bildfassung mit Kopf sichtbar geworden. Das Bild
zeigt einen Geistlichen der Nordkirche, der mit der Sache absolut nichts
zu tun hat. Wir bitten um Entschuldigung. Die taz
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen