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Am Di., 16. Juli 2019 um 21:18 Uhr schrieb Dr. Matthes Haug <dr@matthes-haug.de>:
Carola Rackete und kein Ende:
Seit gestern nimmt der Fall eine
spektakuläre Wendung, nachdem bekannt wurde, dass sich an
Bord der „Sea-Watch 3“ durchgehend ein TV-Team des
ARD-Magazins „Panorama“ befand.
War etwa alles nur ein
Fernsehspiel für die ARD?
13.07.2019
Daniel Matissek
Carola
Rackete und kein Ende: Seit gestern nimmt der Fall eine
spektakuläre Wendung, nachdem bekannt wurde, dass sich an
Bord der „Sea-Watch 3“ durchgehend ein TV-Team des
ARD-Magazins „Panorama“ befand. War etwa alles nur ein
Fernsehspiel für die ARD, war die gesamte „Rettungsaktion“
möglicherweise nur eine riesige Medienshow?
Was
sich hier abzeichnet, ist ein ungeheuerlicher Skandal - denn
anscheinend handelte es sich bei der ganzen Fahrt der
Sea-Watch bis hin zur Verhaftung der Kapitänin um nichts
weiter als ein geniales Propagandastück; immer mehr deutet
darauf hin. Seit der Freitagssendung des ARD-Magazins ist
bekannt, dass die beiden „Panorama“-Reporter Nadia Kailouli
und Jonas Scheijäg die ganze Zeit über an Bord der „Sea
Watch 3“ waren – und zwar vom ersten Moment ihres Ablegens
in Sizilien bis zur Festnahme Carola Racketes auf Lampedusa.
Rückschauend gleicht die gesamte Aktion einer Inszenierung -
wohl mit dem von vornherein geplanten Ziel, um jeden Preis
auf Konfrontation mit den italienischen Behörden zu gehen.
Soviel Nähe zum gelenkten Geschehen lässt sogar CNN vor Neid
erblassen.
Der
„Panorama“-Beitrag beginnt mit einer für Anchorwoman Anja
Reschke so typischen spöttelnden Anmoderation: Es sei
„interessant zu beobachten, wie hierzulande jetzt plötzlich
alle Experten für Seenotrettung und Seerecht sind, die genau
wissen, was zu tun und zu lassen ist, wenn man auf
Schlauchboote mit Flüchtlingen trifft - ohne irgendwelche
Kenntnisse, was sich da genau abgespielt hat“. Zum Glück
gibt’s dafür ja „Panorama“. Das Kamerateam habe „alles
beobachtet und gefilmt - die ganze Odyssee der Sea Watch“,
verkündet Reschke ganz unbescheiden. Den beiden Reportern
war dabei nicht klar, so Reschke, dass ihre „Reise“ (sie
nennt es ernsthaft so) „weltweit Schlagzeilen machen würde“.
Denn: „Zu dieser Zeit interessierte sich kaum einer für
Rettungsschiffe“ (auch das eine abenteuerliche Lüge im
Nebensatz, denn über die Mittelmeer-Seenotrettung wird seit
Jahren emotional gestritten, doch solche Details fallen bei
Reschkes Agitprop-Duktus schon gar nicht mehr ins Gewicht).
Der
sodann folgende knapp zwanzigminütige Einspieler mit den
Aufnahmen von Bord ist ein Paradestück von Berechnung und
inszenatorischer Ruchlosigkeit, wie man es auf hoher See
seit der Dauerbegleitung der „KdF“-Kreuzfahrtschiffe der
1930er Jahre durch die Kamerateams des
NS-Propagandaministeriums nicht mehr gesehen hat. Mit
Journalismus hat dies nichts, aber auch gar nichts mehr zu
tun, was hier geschieht. Grenzen werden überschritten, es
ist eine neue Dimension von „embedded coverage“, die über
das Dabeisein weit hinausreicht: Es ist Mittäterschaft durch
Unterlassen. „Mittendrin statt nur dabei“ 2.0 – eine
wahrhaftige Perversion von Vor-Ort-Berichterstattung.
Zu
sehen ist immer wieder Rackete. Dynamisch, aktiv,
unerschrocken, fast schon sexy. Inszeniert wie ein Popstar.
„Zufällig“ hält die Kamera gerade auf ihr Gesicht in
Großaufnahme, als der angebliche „Hilferuf“ eingeht. Und was
für ein Zufall – wäre der Notruf der Schiffbrüchigen nämlich
nicht eingegangen, wäre das „Panorama“-Team ja ganz umsonst
an Bord gegangen, müsste wochenlang untätig herumschippern
und Carola Rackete filmen. Wer sich gerne verarschen lässt
und an solche „Zufälle“ glaubt, für den ist diese angebliche
„Reportage“ dann natürlich auch seriöser Journalismus. Und
schon geht sie los, die „Rettung“: Energisch handelt die
Crew. Bemerkenswert schnell ist die „Sea Watch 3“ bei den
bereits wartenden Schlauchbootpeople. Professionell werden
sie an Bord geholt. Wenig später schippert das Schiff
bereits zurück gen Lampedusa. Doch, welch Überraschung und
Wunder: Italien bleibt hart. Aber Rackete bleibt cool.
Nervenstark und freundlich begegnet sie die an Bord
gekommenen Beamten der italienischen Küstenwache. Sie
unterschreibt irgendwelche Papiere, dann verschwinden die
Polizisten wieder. Das tagelange Warten beginnt. Gezeigt
wird, wie die Crew immer wieder an Deck beratschlagt, wohin
sie fahren sollen, wenn Lampedusa dicht bleibt. „So viele
Staaten haben sie angefragt. Von den meisten kamen Absagen
oder gar keine Antwort.“, kommentiert die Stimme aus dem Off
mit vorwurfsvollem Unterton.
Einer
der Afrikaner wird gezeigt, wie er die Crew der "Sea-Watch
3" angeblich fragt: „Ich möchte wissen, ob ihr uns nicht
verhaftet, weil wir schwarz sind“. Sichtlich betroffen
beruhigt einer von Racketes Hiwis den Mann und versucht, ihm
„die Angst zu nehmen“. Hallo? Wer soll solch einen Stuss
bitte glauben? Ein Afrikaner zahlt etliche tausend Euros für
seine Überfahrt nach Europa, wird dazu planmässig von
Seenotrettern aufgegabelt... und hat dann Angst,
ausgerechnet von den Europäern aufgrund seiner Hautfarbe
eingelocht zu werden, die ihn aus dem Meer ziehen?!? Geht's
überhaupt noch idiotischer?
An
Bord darf dann ein anderer Aufgegabelter für „Panorama“
seine angebliche Geschichte erzählen: Von Folterungen mit
Elektroschocks auf nassen Fußböden, von unmenschlichen
Verhältnissen in den Lagern. Beweise für all das gibt es
nicht. Sicherlich haben die Männer einiges Schlimmes erlebt.
Doch es ist auch hier wieder eine Frage von Prioritäten und
Verhältnissen. Auch ohne Satellitenfernsehen braucht man
nicht allzu lange durch die TV-Kanäle zu zappen, um seriöse
Afrika-Dokumentationen zu finden, die einem das Blut
gefrieren lassen: Über Waisenkinder des ruandischen
Völkermords. Über todgeweihte Hepatitiskranke, die in den
Lagern des Tschad oder im Südsudan krepieren. Über
kriegsverkrüppelte, unterernährte Kindersoldaten in Sierra
Leone. Über junge HIV-positive sterbenskranke Mütter, die
ihre von Fliegenlarven übersäte Neugeborene weinend in den
Armen halten. Über Kriegsflüchtlinge in Darfur oder
Hungeropfer. Das Elend dieses Kontinents ist grenzenlos.
Niemand bestreitet dies ernsthaft.
Doch
von diesen menschlichen Abgründen sieht man hier, unter der
Sonne der Großen Syrte, rein gar nichts. Sie vollziehen sich
weitab vom Gutmenschen-Radar all der Reschkes, Racketes,
ihrer Zuschauer und Spendenhelfer. Die „Geretteten“, die
hier von Carola Racketes Humanpiraten-Bande - zur
verklärt-gefühlvollen Stimme der kommentierenden
„Panorama“-Sprecherin - an Bord geholt und nun interviewt
werden, sind allesamt und ausnahmslos junge, kräftige
Männer, muskulös und offensichtlich gesund. Ihr Trauma muss
folglich unsichtbar sein, und so haben sie Folter-Storys in
petto, die so sonderbar unpräzise und untereinander so
ähnlich bis gleichlautend anmuten, dass es wirkt, als hätten
die Schlepperbarone sie diese auswendig lernen lassen.
Gewiss; sie könnten wahr sein. Aber sie könnten ebenso
vorgeschoben sein, um der „Flucht“ ein humanitäres Motiv zu
geben. Solche Fragen freilich verbieten sich schon für
eingefleischte „Panorama“-Fans. Es ist die mentale Hauruck-
mit der Totschlagmethode kombiniert: Bei derartigen
Opfergeschichten macht sich jeder schon zum Mittäter, der
sie bloß kritisch hinterfragt.
Und
Reschkes Abenteuerstory ist noch lange nicht zu Ende: Die
Flüchtlinge liegen apathisch, scheinbar dehydriert an Deck,
blicken auffallend synchron mit Leidensmiene ins Leere. Wie
viele Takes es gebraucht hat, bis hier die richtigen
Stimmungsbilder im Kasten waren? Wer weiß. Ein Dauerzustand
kann die Situation jedenfalls nicht gewesen sein, denn wenig
später sieht man sie schon wieder temperamentvoll und erregt
mit der Besatzung diskutieren. Dann wird Carola Rackete
eingeblendet, wie sie mit einem Mit-Aktivisten romantisch in
der Abenddämmerung an der Reling hockt. Atmosphärische
Bilder mit karibischem Flair fürs heimische Wohnzimmer der
deutschen Betroffenheitsszene.
Die
Reise neigt sich dem unweigerlichen Ende zu, und
komischerweise wirken die Passagiere an „Tag 14 nach der
Rettung“ (wie die „Dokumentation“ in kalendarischer
Erzählweise einblendet) kein Deut geschwächter,
mitgenommener oder körperlich irgendwie beeinträchtigter als
bei ihrer Aufnahme. Von der medizinisch „kritischen
Situation“, die Rackete angeblich „keine Minute“ mehr
gelassen habe und die sie später als Grund für ihre
verbotswidrige Rambo-Hafeneinfahrt auf Lampedusa anführen
wird, ist hier - trotz aller dramaturgischen Bemühungen der
TV-Teams - nicht das Geringste zu erkennen,
Am
Ende dann sieht man rührselige Abschiedsszenen, ehe Rackete
ihren perfekt in Szene gesetzten Kreuzgang antritt – entlang
der Seitentreppe, direkt in die Arme der am Anlegesteg
martialisch wartenden Carabinieri, die sie im
Scheinwerferlicht in Empfang nehmen und ihr Handschellen
anlegen. Subtext des Gezeigten: Ein himmelschreiendes
Unrecht vollzieht sich da, die Schande Europas. Bis zum
letzten Frame des Films muss sich Carola Rackete nicht eine
einzige kritische Frage gefallen lassen; nichts darf ihren
Heiligenschein trüben in „Panorama“, dieser
Polit-Muppetshow.
Die
hier am Werk sind – das Kamerateam auf der Sea-Watch bis in
die Redaktionsstuben von „Panorama“ - sind keine
Journalisten. Es sind als Reporter und Redaktionsleiter
getarnte Aktivisten. Sie sind das, was man früher PR-Kader
oder „Verbindungsoffiziere“ genannt hätte. Sie sind
unverhohlene Vorklatscher der Seenotrettungs-NGO's, im
Resultat nichts anderes als Nützlinge des Schleppergeschäfts
im Kampf für eigene Reichweite und die passenden Bilder.
Interessant wäre zu erfahren, wie im Vorfeld der Kontakt
zwischen Sea-Watch und der ARD konkret zustande kam, von wem
hier die Initiative ausging. Wie auch immer, hier trafen
jedenfalls Gleichgesinnte aufeinander: Öffentlich-rechtliche
Reporter als Handlanger von Schleppern, die deren schädliche
Sogwirkung multiplizieren helfen. Nichts ist in diesem
Deutschland mehr unmöglich. Dazu passt auch hervorragend,
dass die Dokumentation just zu einem Zeitpunkt ausgestrahlt
wurde, da Carola Rackete ihre neugewonnene fragwürdige
Popularität nutzt, um einen juristischen Feldzug gegen
Italiens Innenminister Matteo Salvini zu führen – ein
Schelm, wer Arges dabei denkt.
Es
muss nun dringend aufgeklärt werden, wie diese „Reportage“
zustande kam. Was wusste „Panorama“ vorab? Wurden die „zu
rettenden“ Flüchtlinge womöglich extra für die Reportage
aufs Meer gebracht? Wieso kam erst jetzt ans Licht, dass ein
deutsches Fernsehteam – sogar des deutschen Staatsfernsehens
– mit an Bord war? Wieso berichtet „Panorama“ mit keinem
Wort darüber, dass sehr wohl mehrere sichere Häfen in
Tunesien und Libyen hätten angelaufen werden können, dies
jedoch vorsätzlich abgelehnt wurde? Und inwieweit war die
Brüskierung Salvinis von vornherein einkalkuliert? All diese
Fragen harren einer sofortigen Untersuchung. Nicht nur der
Rundfunkrat, auch der deutsche Presserat muss hier
augenblicklich tätig werden.
Was
sagte „Panorama“-Reschke vorgestern über ihren Film: „Man
sollte sich das ansehen, wenn man mitreden will!“ Wohl wahr.
Vor allem, wenn man mitreden will darüber, was diese Form
von Indoktrination noch mit dem angeblichen
„Informationsauftrag“ des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
zu tun hat.
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