Von Vilma-Mönckeberg-Kollmar
Was hat sich eigentlich die UN gedacht, als sie 1975 zum Jahr der Frau erklärte? Vorläufig erleben wir nur ironische Kommentare und Verhohnepiepelungen der Frauen. Das Fernsehen fand es angebracht, einen Film mit dem harmlosen Titel "Reise nach Wien" zu senden, der nicht vermuten ließ, daß es sich dabei um zwei Flittchen handelte, deren Männer an der Front kämpften, während sie Daheimgebliebene verführten und hereinlegten, um etwas zu erreichen oder Unerlaubtes zu tarnen.
Wer Krieg und Nachkriegszeit miterlebt hat, wird sich erinnern, was Frauen, insbesondere Mütter, gelitten und geleistet haben. Ihrer Einsatzbereitschaft, ihrem praktischen Sinn war es zu danken, daß Männer und Kinder überlebt haben, als es nur Hungerrationen gab.
In einer Sammlung schwedischer Volksmärchen habe ich folgende Geschichte gefunden, die ich mit Vergnügen in meine Märchenprogramme aufgenommen habe und die die Männer nachdenklich und die Frauen hellwach machen sollte:
In einem Dorf tief im Gebirge wurden die Bauern von den Tussen heimgesucht – Tussen ist der Name für die Unterirdischen. Ein Tusse lieh sich des öfteren von einem Bauern die verschiedensten Dinge, brachte alles aber immer pünktlich wieder zurück. Davon bekam der Gemeindepfarrer Wind, und er suchte den Bauern auf, um zu sehen, was an der Sache war.
"Ja", sagte der Bauer, "wenn du wartest, kannst du den Tussen sehen. Er kommt um zwölf Uhr und bringt mir eine Kanne Bier zurück." Der Pfarrer setzte sich und wartete. Pünktlich um zwölf Uhr erschien der Tusse und brachte die Kanne Bier. Als er den Fremden sah, machte er eine Verbeugung und wollte fort. Aber der Pfarrer hielt die Tür zu und redete auf den Tussen ein, denn er hielt ihn für den Teufel und, wollte ihn bekehren. Er zeigte ihm das Neue Testament, erzählte ihm vom Christkind und erklärte ihm die Texte.
Der Tusse hörte eine Weile zu, dann sagte er: "Ich bin nicht so gelehrt, um dir Rede und Antwort zu stehen. Aber wenn du warten willst, schicke ich meinen Bruder der ist Pfarrer bei uns." Der Pfarrer aber hielt die Tür zu, weil er glaubte, der Tusse wolle sich nur drücken.

"Laß ihn laufen", sagte der Bauer, "was der Tusse sagt, das hält er auch. Ein Tusse lügt nie." Da ließ ihn der Pfarrer los, setzte sich und wartete. Nach einer Zeit erschien wirklich der Tussenpfarrer im schwarzen Talar mit weißer Halskrause und dem Alten Testament unter dem Arm.
"Kennst du das erste Kapitel der Schöpfung?" fragte der Tusse. Ja, das kenne er, antwortete der Pfarrer. "Da steht geschrieben", sagte der Tusse, "daß Gott Mann und Frau zu gleicher Zeit schuf. Weißt du das?" Ja, das wußte der Pfarrer. "Aber als die Welt das zweite Kapitel erreicht hatte, schuf Gott aus der Rippe Adams ein zweites Weib, weißt du das auch?" Das wußte der Pfarrerauch.
Der Tusse erzählte weiter: "Da sagte Adam: Dieses Mal ist es Fleisch von meinem Fleisch und Bein von meinem Bein. Weißt du, warum er sagte ‚dieses Mal‘?" Nein, das wußte der Pfarrer nicht. "Als Gott das erste Weib schuf", sagte der Tusse, "schuf er es dem Adam ebenbürtig und sie sagte: Ich bin ebensogut ein Stück Schöpfung wie Adam und will diesem auf keinen Fall Untertan sein. Gott fand, daß es nicht gut sei, wenn Mann und Frau gleich seien und verbannte Adams erste Frau in die Erde und in die Hügel. Dort lebt sie jetzt mit ihren Nachkommen und sie leben ohne Sünde. Dann schuf Gott das zweite Weib aus Adams Rippe. Darum sagte Adam ‚dieses Mal‘, weil sie vom Mann genommen war. Sie lebt auf der Erde und ihre Kinder leben in der Sünde. Darum habt ihr das Neue Testament nötig. Wir brauchen nur das Alte Testament."
Als der Pfarrer das hörte, schämte er~sich und bestieg nie mehr eine Kanzel um zu predigen. – Der Name von Adams erster Frau steht nirgends in der Bibel. Sie hieß Lili oder Lilo – aber das ist kein Unterschied und tut nichts zur Sache. Aber es gab Adams erste Frau. So erzählt das nordische Märchen.
In der Bibel aber steht: Lasset uns den Menschen nach unserem Bilde machen, und er schuf ein Männlein und ein Weiblein (so schreibt Luther) und sagt zu ihnen: Machet euch die Welt Untertan. Euch sagte er. Euch! Wo ist diese erste ebenbürtige Frau geblieben? In apokryphen Schriften heißt sie Lilith und ist eine Teufelin geworden. Bei Goethe erscheint sie beim Hexensabbath – aber bei der Schöpfung war sie Adams ebenbürtige Frau.
Im zweiten Kapitel erscheint ohne nähere Erklärung – Adam langweilt sich augenscheinlich, weil er wieder allein ist – die Frau aus seiner Rippe, also eine Art Abfallprodukt, wozu ein nutzloses Organ des Mannes ausreichte. Was also könnte dieses Weib anderes wollen, denken, tun, als was der Mann wollte.
So ist es geblieben bis heute. Möge im Jahr der Frau Lili wieder, auferstehen, die zu gleicher Zeit wie Adam geschaffen wurde und ihm ebenbürtig.